"ISDN-UP ist in CCITT REC Q.761 - Q.766 (+ETSI Version: Q.767) beschrieben
und wird im MF (GSM-System) auf der Schnittstelle zwischen MSC's sowie zwischen
GMSC und ISDN (VE:N) implementiert."
-- aus einem Mobilfunkbuch
Schon während der Schulzeit und erst recht später im Laufe meines
Studiums, meiner Zeit als Redakteur einer Computerzeitschrift und
auch meiner jetztigen Tätigkeit durfte ich immer wieder dieselben
vier unglückseligen Erfahrungen machen, die eines Tages vielleicht einmal als
Rohrbacher'sches Technik-Korrelat Eingang in
Murphys Gesetze finden werden:
Gute Techniker sind miserable Autoren
Gute Autoren sind miserable Techniker
Trifft 1. und 2. nicht zu, so nur in der Form eines miserablen
Autors und Technikers
In den wenigen restlichen Ausnahmefällen ist das Ergebnis entweder
hoffnungslos veraltet oder in Kyrillisch abgefaßt
Ich meine jetzt damit nicht jene stilistischen Notsignale aus den
Abgründen asiatischer Handbuchkunst, die z.B. als Beipackzettel zu
Armbanduhren getarnt Anschläge auf unseren Verstand verüben.
(Wenn der "Fachübersetzer" solcher Firmen seine Deutschkenntnisse während
eines zweiwöchigen Oktoberfestbesuchs gemacht hat, dann müssen sich solche
Pamphlete eben nun mal zwangsläufig lesen, wie aus dem Nubischen ins
Deutsche übersetzte Anleitungen chinesischer Kofferradios.)
Nein, so etwas ist letztlich nur eine einfache Lästigkeit und nichts, was man
nicht letztlich durch geduldige wortgetreue Rückübersetzung ins Englische
und anschließender Neuübersetzung doch noch enträtseln könnte.
Schlimmer wiegt m.E. der Umstand, daß es auch abseits solcher sprachlichen
Kurzschlüsse erstaunlich schwierig ist, Bücher zu komplexen
wissenschaftlichen Themen zu finden, die dem interessierten Leser auch ohne
besondere Vorkenntnisse eine verständliche Einführung in die Thematik geben können.
Versuchen wir es demnach, ein wenig besser zu machen...
Das GSM-Netz läßt sich am besten als ein hierarchisch gegliedertes
System verschiedener Netzelemente verstehen: Am unteren Ende stehen zunächst
die Mobiltelefone (MS für "Mobile Station"), die über Funk mit
der nächstgelegenen Basisstation (BTS für "Base Tranceiver
Station") kommunizieren.
Die Reichweite solcher Basisstationen liegt nominell bei bis zu 37.8km (GSM)
Radius, fällt in der Praxis jedoch im Mittel deutlich geringer aus
(durch geringere Sendeleistungen, Abschattungen, Reflexionen u.ä., durch
das Gelände bedingte Ursachen, aber auch durchaus gewollt von den
Netzbetreibern, da viele kleine Zellen in Ballungsgebieten mehr Teilnehmer
versorgen können, als wenige große).
Rechnet man sich das einmal aus, so kommt man auf mehrere tausend
Basisstationen (E-Plus spricht bspw. von 6000 BTSen für den E-Netzaufbau
in Deutschland). Zur Lenkung und Kontrolle dieses Datenverkehrs werden die
BTSe nun zunächst gebietsweise zusammengefaßt: Die zugehörigen
übergeordneten Netzelemente heißen denn auch "Base Station
Controller" (BSC). Über Ihnen stehen dann nochmals eine handvoll
Mobilvermittlungseinrichtungen, neudeutsch: "Mobile Switching Centers"
(MSC), über die u.a. auch der Übergang in andere (in- oder
ausländische) Telefonnetze erfolgt:
Wie man der Skizze entnimmt, trägt jede der Schnittstellen zwischen den
einzelnen Netzelemententypen einen eigenen Namen:
Die Um-Schnittstelle oder Funkschnittstelle ("Radio-Path")
zwischen Handy und BTS
Die Abis-Schnittstelle für die Kommunikation zwischen BTS und BSC
Die A-Schnittstelle zwischen BSC und MSC
Dabei ist die genaue physikalische Ausprägung der beiden letztgenannten
Verbindungen von untergeordneter Bedeutung: Je nach Standort kann dies per
Richtfunk, öffentlichen (Telekom-)Mietleitungen oder direkten
Kabelanbindungen erfolgen. Für die Netzbetreiber ist dies (aufgrund der
Mietleitungskosten unserer allseit beliebten Telekom...) sehr wichtig,
für unsere weiteren technischen Betrachtungen dagegen überhaupt
nicht.
Betrachtet man das ganze System aus dem Blickwinkel der logischen
Aufgabenverteilung, so ergibt sich eine Dreiteilung:
Das Radio-Subsystem (RSS)
Alle Netzelemente bis hinauf zur Vermittlungsstelle: Handy (MS) +
Basisstation (BTS) + Basisstationkontrolleinheit (BSC). Hier findet sich die
eigentliche "Funktechnik" wieder. Da das Handy (zumindest aus Sicht der
Netzbetreiber) eigentlich nur ein Anhängsel darstellt, spricht man von
BSC und zugehörigen BTSen zusammen oft auch als "Base Station Subsystem"
(BSS).
Das Network Switching Subsystem (NSS)
Wie der Name schon andeutet, ist hiermit die Vermittlungstechnik gemeint.
Das NSS umfaßt damit die Netzelemente und Technik ab (und zwischen)
der/den MSC. Wie im Bild oben angedeutet, sind der MSC hierzu einige
zusätzliche Datenbanken zugeordnet (HLR, VLR, AUC, EIC,...), auf
deren genaue Funktion wir später noch zurückkommen werden.
Das Operation and Maintenance Subsystem (OMS)
Dieses Betriebs- und Wartungssystem ist neben die oben
aufgezählte Netzelementhierarchie gestellt -logisch, denn es müssen
ja alle Netzelemente überwacht werden.
Die Überwachungsmaßnahmen selbst werden durch die "Operation and Maintenance
Centers" (OMC) -typischerweise bei den MSCen angesiedelt- ferngesteuert.
Um die anfallenden Vermittlungs- und Verwaltungsaufgaben bewältigen zu können,
werden eine Reihe von Datenbanken benötigt. Meist sind sie auf der MSC-Ebene
angesiedelt (was auch Sinn macht, wenn man bedenkt, daß die MSC ja gerade die
Vermittlungsaufgaben wahrnehmen).
Im einzelnen sind dies:
Das Home Location Register (HLR):
Diese Datenbank bildet zusammen mit dem VLR die zentralen Teilnehmerdaten.
Hier stehen die persönlichen Informationen des Benutzers (welche Telefonnummer
er hat, welche Dienste für ihn freigeschaltet sind, welchem Heimatbereich
(Home Location Area, HLA) er zugeordnet ist, wo er sich z.Z. aufhält,
etc.). Pro GSM-Netz existiert nur ein HLR.
Das Visitor Location Register (VLR):
Die VLR enthalten die dynamischen Teilnehmerdaten, sie sind sozusagen lokale,
einem Gebiet zugeordnete Datenbanken, welche Kopien der
HLR-Datenteilbestände für die Benutzer führen, die sich momentan in ihrem
Zuständigkeitsbereich befinden.
Hier wird also registriert, welche (auswärtigen) Handys sich
z.Z. im Aufenthaltsbereich der MSC befinden. Die VLR-Daten werden im
Zusammenspiel mit dem HLR dazu laufend aktualisiert, bspw., wenn ein Handy den
Zuständigkeitsbereich einer BSC verläßt.
In der Praxis werden die VLR praktisch immer beim für das Gebiet zuständigen
MSC angesiedelt (weil dadurch der Kontroll-Datenaustausch während des
Gesprächs beschleunigt wird).
Das Authentication Center (AUC):
Das Berechtigungszentrum enthält die Zugangsdaten der einzelnen Nutzer,
insbesondere Kopien der persölichen, geheimen SIM-Karten-Schlüssel,
die zum Zugang zum Mobilfunknetz und anschließend für die codierte
Übertragung der Gesprächsdaten über das Netz notwendig sind.
(Realisierungstechnisch ist das AUC meistens ins HLR integriert).
Das Equipment Identity Register (EIR):
In dieser Gerätedatenbank stehen die Handy-spezifischen Daten, insbesondere wird
hier auch die Liste der IMEI-Nummern
geführt, die zwischen den drei Arten "white" (=zugelassenes Endgerät), "grey"
(=fehlerhaftes bzw. zu beobachtendes Handy) und "black" (=gestohlene oder aus
sonstigen Gründen gesperrtes Mobiltelefon) zu unterscheiden weiß.
Wie spielen diese Datenbanken nun zusammen? -Angenommen, ein Handybesitzer
schaltet sein Mobiltelefon ein, um ein Gespräch zu initiieren. Dann meldet
sich das Gerät zunächst mit der aus der SIM-Karte stammenden Teilnehmerdaten
und dem aus dem Gerät ausgelesenen Gerätedaten bei der nächsten Basisstation
an, die die Daten an "sein" MSC weiterleitet.
Diese schickt die Daten weiter an die zuständige MSC, in deren zugeordnetem
HLR die SIM-Karte registriert ist und fordert eine entsprechende
Authentisierung der Daten an. Mit den Daten des AUC und EIR wird dann
die Erlaubnis zur Teilnahme des Users am Mobilnetz überprüft. Anschließend
wird im HLR/VLR die Position und der Status des Teilnehmers als eingebucht
vermerkt.
Bei einem Verbindungswunsch wird anhand der gewählten Rufnummer die zuständige
MSC ermittelt, in deren HLR der Teilnehmer registriert ist. Da dort gespeichert
ist, wo sich der Teilnehmer gerade aufhält (bzw. ob er momentan überhaupt
im Netz erreichbar ist), läßt sich der Anruf nun an das MSC weiterleiten, in
dessen Zuständigkeitsbereich der Teilnehmer momentan ist. Dieses lenkt über
das näheste BSS den Anruf zum Handy des gewünschten Teilnehmers. Auch dessen
Handy muß sich nun zunächst gegenüber dem MSC als das "richtige"
authentisieren. Erst danach kann das eigentliche Gespräch beginnen.
Wechselt der mobile Teilnehmer während des Gesprächs in den Zuständigkeit eines
anderen BSS, so wird die Verbindung vom nächsten BSS übernommen (Handover).
Unter Umständen wechselt damit auch die zuständige MSC: In dem Fall werden die
HLR/VLR-Daten entsprechend aktualisiert.
Die Funkschnittstelle (auch: RadioPath oder Um-Schnittstelle) im
GSM unterscheidet zwischen zwei Funkrichtungen: Je nachdem, ob der Funkweg
vom Handy zur Basisstation oder die umgekehrte Richtung gemeint ist, spricht
man von Uplink bzw. Downlink.
Jeder Funkkanal besteht nunmehr aus einem solchen Uplink- und Downlinkpaar,
wobei der Abstand zwischen Up- und Downlinkfrequenz immer identisch ist
(sog. Duplexabstand, im GSM 45 MHz kHz).
Insgesamt gibt es 124 solcher Funkkanäle, wobei zwischen zwei benachbarten
Kanälen jeweils ein sog. Kanalabstand von 0.2 MHz eingehalten wird.
Der erste Kanal beginnt bei 890.2 MHz (uplink) bzw. 890.2+45 = 935.2 MHz
(downlink), womit sich die einzelnen Frequenzen der 124 Kanäle nun leicht
berechnen lassen:
fuplink = 890.2 MHz + (i-1)*0.2 MHz
fdownlink = fuplink + 45 MHz
(i im Bereich [1..124]):
In DCS1800-Netzen ist dies vom Prinzip her nicht viel anders, nur daß...
...die Uplink-Frequenz bei 1710.2 MHz beginnt,
...die Downlink-Frequenz bei 1805.2 MHz startet,
...der Duplexabstand 95MHz beträgt und
...insgesamt 374 Trägerfrequenzen existieren:
fuplink = 1710.2 MHz + (i-1)*0.2 MHz
fdownlink = fuplink + 95 MHz
(i im Bereich [1..374])
Die Übertragung von Gesprächen geschieht also bei beiden Systemen
auf mehreren Frequenzen gleichzeitig -ein simples Frequenzmultiplex-Verfahren
mit dem Namen Frequency Division Multiple Access, kurz: FDMA.
Jeder dieser Frequenzträger wird nun aber noch weiter in 8 sogenannte
"Zeitschlitze" (time slots) unterteilt -hierdurch entstehen also
acht physikalische Kanäle; das zugehörige Verfahren, die
Frequenzträger entsprechend zu zerschnippeln, nennt sich Time
Division Multiple Access (TDMA):
Eine Abfolge von 8 Timeslots heißt auch TDMA-Rahmen (oder
einfach "Frame") und dauert 4,615ms; ein Zeitschlitz somit 4,615/8 = 0,576875ms.
Die in diesem Zeitintervall übertragenen Daten bezeichnet man als
Burst, im GSM sind es 156,25 Bit (1 Bit = 3,692 Mikrosekunden).
Damit gelangen wir allmählich wieder auf halbwegs festen Computerboden, denn
letztlich sind diese "Bursts" nichts anderes, als Datenblöcke in einem
Computernetz: Bitpakete einer festen Größe mit bestimmten Formaten.
GSM kennt ihrer fünf Arten:
Normal Burst
Der eigentliche "Packesel" im Netz: Mit ihm werden die Nutzdaten des
Gesprächs transportiert. 114 der 156.25 Bits sind dabei echte Daten, der
Rest geht für die Verwaltung darauf (fast wie im richtigen Leben...)
Frequenzkorrektur-Burst
Eine 142 Bit lange Datensequenz aus lauter Nullen: Durch die
Demodulationsstufen der Mobilstation gewurstet ergibt dies nämlich ein
unmoduliertes Trägersignal (=Sinus), mit dem sich die Mobilstation
abgleichen kann
Synchronisations-Burst
Er dient zur Zeitsynchronisation des Handys und enthält dazu im wesentlichen
eine lange Trainingssequenz
Access-Burst
Nein, das ist kein Wutausbruch eines frustrierten
MicroSoft-Datenbankprogrammierers, sondern ein Datenpaket für den wahlfreien
Zugriff des Handys.
Dummy-Burst
Ein Lückenfüller, der dann gesendet wird, wenn keine Nutzdaten zum Senden
da sind
So, tief durchatmen und gedanklich einen Schritt Abstand gewinnen:
Man muß sich jetzt zunächst einmal klar darüber werden, daß mit
diesem Schema bisher nur der physikalische Aspekt des Datentransportes
beschrieben ist: Man spricht deshalb auch von physikalischen Kanälen.
Löst man sich von dieser Betrachtungsweise und sieht die Datenübertragung eher
informationsbezogen, so kommt man zu den 11 logischen Kanälen:
Traffic Channels; dies sind die eigentlichen Verkehrsdatenkanäle zum
Transport von Sprache, Fax- oder sonstiger Nutzdaten:
Full rate traffic channels (F)TCH
Half rate traffic channels (H)TCH
Common Channels, diese zerfallen zunächst in zwei Arten:
Broadcast Channels; das sind Kanäle, die immer nur in der Richtung
Basisstation->Handy senden und dabei eben "broadcasten", d.h.:
sich gleichzeitig an alle im Empfangsbereich der BTS gelegenen Handys
richten. Davon gibt es drei:
Frequency Correction Channel FCCH
Synchronisation Channel SCH
Broadcast Control Channel BCCH
Common Control Channels; diese Kanäle dienen zur Steuerung einer
bestimmten Verbindung Basisstation<->Handy. Auch hiervon existieren drei:
Paging Channel PCH
Random Access Channel RACH
Access Grant Channel AGCH
Dedicated Channels; in diese letzte Kategorie fallen drei spezielle
Steuerkanäle:
Stand Alone Dedicated Control Channel SDCCH
Slow Associated Control Channel SACCH
Fast Associated Control Channel FACCH
Muß man die genauen Funktionen dieser logischen Kanäle, deren recht
vertracktes Zusammenspiel und ihre Abbildung auf die darunterliegenden
physikalischen Kanäle
kennen? -Nein (höchstens man arbeitet für einen der Systemhersteller,
im GSM-Normungsausschuß oder bewirbt sich für ein Ratequiz a la
"Großer Preis" mit Spezialgebiet GSM-Technik im Fernsehen...) Egal, ich will das jetzt auch noch wissen!
Wichtiger ist stattdessen wieder einmal, das Prinzip zu verstehen:
Ein Traffic Channel (TCH) stellt bspw. die Bandbreite zur Verfügung,
die benötigt wird, um ein Gespräch zu übertragen. Momentan entspricht dies
(bei einem Full rate channel) einer Datentransferrate von 13kbps.
Entsprechend viele Timeslots sind dafür irgendwie reserviert worden -Punkt!