Offensichtlich kommt es also nicht nur auf die Anzahl der potentiellen Telefonierer an, sondern auch auf deren Telefonieverhalten:
Dieses Teilnehmerverhalten läßt sich in der Praxis nicht exakt vorhersagen; offensichtlich sind die Belegungsversuche der Leitung ein statistischer Zufallsprozeß -und dieser läßt sich als "Warteschlangenmodell" auffassen:
An den tatsächlich vorhandenen Leitungen treten gemäß einer Zufallsvariablen zu zufälligen Zeitpunkten Belegungsversuche zufälliger Länge auf, wodurch es u.U. zu Warteschlangen kommen kann (ähnlich dem Ausgang Deines nächsten Wochenendebeutezugs im örtlichen Supermarkt am Samstag vormittag vor der dortigen Kasse...)
Macht man gewisse Annahmen über die mathematische Art dieser Zufallsvariablen, so kann man all dies formelmäßig fassen -aber schieben wir zunächst noch die Mathematik feige vor uns her...
Der Telefonverkehr ausgedrückt in Erlang berechnet sich aus dem Verhältnis der Zeit, zu welcher eine Leitung tatsächlich benutzt wurde (oder benutzt werden sollte) dividiert durch die Zeit, zu der sie insgesamt zur Verfügung gestanden hätte.
Beispiel: Eine Leitung wurde insgesamt 1h am Tag benutzt, obwohl sie theoretisch 24h zur Verfügung gestanden hätte; der Verkehr betrug somit 1[h]/24[h] = 1/24 * [h]/[h] = 1/24 = 0,0416667 [Erlang]
An dieser ersten Definition kann man schon einige Merkwürdigkeiten
erkennen: So ist der Verkehr eigentlich eine dimensionslose Größe.
Trotzdem existiert "irgendwie" ein Bezug zur Zeit, denn hätte man sich
für denselben Tag auf den Zeitraum von 8h..20h beschränkt, so
wären in dieser Zeit vielleicht schon 0,8h des Telefonverkehrs angefallen,
mit derselben Rechnung hätte sich somit ein Verkehr von
0,8/12 = 0,0666667 [Erlang] ergeben -dieses letzte Problem
des Zeitbezugs kann man sich am Analogon Geschwindigkeit und
zurückgelegte Strecke veranschaulichen: Wenn man auf einer
Fahrt von A nach B momentan auf der Autobahn unterwegs ist
und der Tacho 230 km/h zeigt, dann ist dies zwar ein Indiz dafür,
daß man ordentlich Strecke zurücklegt (und offensichtlich genug
Moos für ein schnelles Auto hatte...), aber wie schnell man dadurch
insgesamt über die gesamte Strecke hinweg sein wird, ergibt
sich aus dieser Momentaufnahme nicht.
Der Mathematiker würde jetzt sagen, daß die Fahrstrecke das Zeitintegral
der Momentangeschwindigkeiten auf der Fahrt von A nach B
ist; die 99% Nichtmathematiker der Bevölkerung, denen das zu hoch ist,
bilden dagegen einfach den Mittelwert Entfernung / Fahrtzeit und nennen
das Kind "Durchschnittsgeschwindigkeit".
Das könnte man zwar für den Telefonieverkehr auch machen, wäre
aber eine zu starke Vereinfachung -warum, wird wieder am Vergleich klar:
Wenn man anderntags von B nach C fahren muß
und dies zufälligerweise eine reine Autobahnstrecke ist, dann hilft einem
zur Abschätzung der hierfür benötigten Zeit die alte
Durchschnittsgeschwindigkeit für die Fahrt von A nach B
gar nichts.
Übertragen auf den Telefonverkehr heißt das somit: Verwendet man
zur Netzplanung den (punktuellen) Spitzenwert des Verkehrs, dann überdimensioniert
man das Netz hoffnungslos; berechnet man die Kapazitäten andererseits
auf dem durchschnittlichen Verkehr, dann unterdimensioniert man.
Als Kompromiß muß deshalb die sog. Hauptverkehrsstunde
oder neudeutsch: Busy Hour herhalten, die definiert ist
als der Tageszeitabschnitt von vier aufeinanderfolgenden Viertelstunden mit dem
meisten Telefonverkehr.
So, unser geiziger Hausmeister weiß nun also schon, wie er zu einem halbwegs vernünftigen Verkehrswert (also einem Quotienten aus Gesprächen je Zeitpunkt) kommt: Am einfachsten befragt er einen seiner Kollegen zwei Plattensilos weiter, ob er ihm eine Statistik des Telefonverkehrs seiner Mieter zeigen kann. Klappt das nicht, dann befragt er seine eigenen Mieter, wann, wieviel, wieoft und wielange sie denn so pro Tag telefonieren, trägt die Anzahl dieser Gespräche (=Belegungen) über einer 24h-Zeitachse auf und sucht sich die Stunde heraus, zu der dieses Diagramm quasi am "dicksten" ist: Das ist seine o.g. Busy Hour und die Anzahl der in dieser Stunde durchschnittlich auftretenden Gespräche der entsprechende Hauptverkehrsstundenverkehrswert.
Lassen wir ihn also feststellen, daß dies die Zeit zwischen 9:15h und 10:15h ist (weil die Kassenstelle des Sozialamtes erst um 9h aufmacht und der Beamte erst noch eine Viertelstunde Kaffee kochen muß) und daß von seinen 100 Mietern während dieser Stunde durchschnittlich immer 2,04 Gespräche gleichzeitig geführt werden (Behördengespräche sind bekanntlich laaaaaaang, bis man zum richtigen Sachbearbeiter durchgestellt ist, dieser den richtigen Aktenordner gefunden, abgestaubt, geöffnet, durchgelesen, nachgedacht, sein Urteil gemacht und ausformuliert hat!): Auf diesen Hauptverkehrsstundenverkehrswert hin muß unser Hausmeister nun planen: Diese 2,04 Erlang sind das sog. Verkehrsangebot, das seine Telefonanlage verarbeiten muß.
Heißt das jetzt, daß unser Hausmeister einfach nur auf die
nächste ganze Zahl an Leitungen aufrunden, also 3 Leitungen bei
der Telekom bestellen muß und aller Sorgen ledig ist?
Nein, denn wie bereits erwähnt sind die festgestellten 2,04 Erlang
Verkehr nur ein statistischer Durchschnittswert -jetzt erst kommt
die eigentliche Mathematik zum Tragen!
Es existieren eine ganze Reihe mathematischer Modelle, das einfachste und
meistgebräuchliche davon verwendet die sog. Erlang-B-Formel:
Unter der Annahme, dass die Belegungsversuche einen Poisson-Prozess
darstellen (d.h.: einer Normalverteilungsannahme gehorchen) und
Blockierungen (das sind wegen Überlastung nicht zustandegekommene
Gesprächsversuche) "zu Verlust" gehen (heißt: Der Betreffende es
nicht unmittelbar nochmals probiert), besteht folgender Zusammenhang
zwischen (B)lockierungswahrscheinlichkeit, Verkehrs(A)ngebot (=zu
vermittelnder Verkehr, gemessen in Erlang) und der A(N)zahl der zur
Verfügung stehenden Leitungen:
Fällt diese Formel so einfach vom Himmel? Nein, natürlich nicht;
wer sich vor ein bißchen Mathematik nicht scheut, darf einen
etwas längeren, aber trotzdem hochinteressanten Exkurs zur Herleitung
der Formel mitmachen, muß aber nicht.
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